Zielgruppen für die strategische Kommunikation festlegen

Zahlreiche unterschiedliche Menschen, die wir als Zielgruppe für die strategische Kommunikation definieren könnten

Ein möglichst genaues Verständnis von Zielgruppen ist in der Unternehmenskommunikation noch wichtiger als im Marketing oder bei der Geschäftsmodellentwicklung. Denn mit Kommunikation wollen wir zielgerichtet diejenigen erreichen, die sich tatsächlich für unsere Angebote (Services, Produkte, Jobs) interessieren. Dafür müssen wir bestehende Konzepte von Zielgruppen und Persona deutlich weiterdenken.

Zielgruppen in der strategischen Kommunikation

„Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“

Dieses dem Industriellen Henry Ford zugeschriebene Zitat veranschaulicht recht deutlich das Problem von Werbung und auch Unternehmenskommunikation, wenn es um das Thema der Zielgruppen geht. Klar ist, dass die wenigsten Organisationen in der Lage sind, alle Menschen zu erreichen. Ganz zu schweigen davon, alle Menschen dazu zu bringen, irgendetwas zu tun oder zu kaufen. Klar ist aber auch, dass dies weder nötig noch sinnvoll wäre.

Leistungen oder Produkte richten sich in der Regel nur an bestimmte Gruppen bzw. Marktsegmente. Deshalb zielt auch strategisch ausgerichtete Kommunikation auf bestimmte Gruppen potentieller Kunden – sogenannte Zielgruppen. Die entscheidenden Fragen sind nur: Wer sind diese Zielgruppen? Und wie lassen sie sich so bestimmen, so dass wir unsere Kommunikation bestmöglich auf sie ausrichten können?

Im Idealfall hat die Unternehmensführung für die Beantwortung dieser Fragen schon gute Vorarbeit geleistet. Denn bei der Geschäftsmodell- und Produktentwicklung sollte natürlich ein möglichst klares Bild davon bestehen, wer überhaupt ein Interesse an der Nutzung angebotener Dienstleistungen oder Produkte haben könnte. Besser noch: Im Rahmen der Organisationsstrategie wurden Tests mit potentiellen Nutzern durchgeführt, um ein Proof of Concept zu gewährleisten.

In der Praxis ist dies jedoch bei Weitem nicht immer der Fall. Agenturen und Kommunikationsabteilungen in Unternehmen sehen sich regelmäßig vor der Aufgabe, Zielgruppen selbst vollständig neu definieren oder untaugliche Gemeinplätze konkretisieren zu müssen. Mit ein wenig Erfahrung, passenden Tools und Feedback von der Unternehmensleitung lässt sich das jedoch gut bewerkstelligen.

Zielgruppen vs. Persona?

Damit wir Kommunikation überhaupt als strategisch bezeichnen können, müssen wir alle wichtigen Entscheidungen begründen können. So auch, warum wir bestimmte Zielgruppen (in der Regel sind es mehrere) ansprechen wollen und was die eine Zielgruppe von anderen Zielgruppen und von allen anderen Menschen unterscheidet. Und genau dafür benötigen wir erprobtes Handwerkszeug, sprich Methoden und Werkzeuge, die uns helfen, diese strategischen Fragen zu beantworten.

Früher bestimmte man Zielgruppen vor allem über sozioökonomische Merkmale. Verfügbare Parameter waren z.B. Geschlecht, Alter, Einkommen, Wohnort. Zielgruppen waren also eher Marktsegmente.

Die heute vor allem im Marketing und zunehmend auch in der Geschäftsmodellentwicklung etablierte Buyer Persona geht einen anderen Weg. Hierfür wird ein typischer Kunde anhand möglichst konkreter Verhaltensmerkmale beschrieben. Die einfachste Darstellung unterteilt sich in Aufgaben (Jobs), Hindernisse (Pain Points) und Ziele (Goals) der Persona. Es gibt aber unzählige Varianten, bei auch denen sozioökonomische Faktoren und andere Merkmale thematisiert werden. Allen Persona-Konzepten ist gemeinsam, dass sie aus angenommenen und tatsächlich vorhandenen Informationen gebildet werden. Je mehr Daten also zu bestehenden Kunden oder potentiellen Nutzern der Dienstleistungen bzw. Produkte vorliegen, desto realistischer kann eine Persona gebildet werden.

Für diesen Paradigmenwechsel in der Zielgruppenbestimmung sind vor allem zwei Trends entscheidend. Zum einen verfügen wir heute über erheblich mehr Daten über das tatsächliche Verhalten und auch die Wünsche von Menschen. Zum anderen hat sich in vielen wirtschaftsstrategischen Bereichen der Fokus vom Absender bzw. Angebot auf den Kunden und seine Bedürfnisse geändert.

Vielerorts werden Zielgruppen und Persona deswegen als gegensätzliche Konzepte aufgefasst. Das ist aber nicht ganz korrekt. Denn wir können problemlos viele Gemeinsamkeiten oder sogar einen stufenweisen Übergang beschreiben. Der tatsächliche Unterschied liegt vielmehr zwischen der bloßen Abgrenzung eines Marktsegments und dem Fokus auf Verhalten und Emotionen der Zielgruppen.

Deswegen betrachten wir hier Persona auch als ein Werkzeug zur Definition von Zielgruppen. Welche Vorteile dieses Vorgehen (gegenüber reinen Marktsegmenten) hat und welche Aspekte der Buyer Persona für die strategische Kommunikation noch fehlen, erläutert das folgende Beispiel.

Praxisbeispiel für die Zielgruppen-Evolution vom Marktsegment zur Persona

Um die Entwicklung der Zielgruppendefinition von Marktsegmenten zur Persona nachzuzeichnen, stellen wir uns einen (fiktiven) Händler von hochpreisigen, modischen Herren-Sportbrillen aus nachhaltiger Herstellung vor.

Eine nur auf Marktsegmenten beruhende Zielgruppendefinition könnte demnach lauten:

„Männer, die älter als 30 Jahre sind, über ein monatliches Haushaltsnetto von mindestens 3.000 Euro verfügen und eine Brille tragen.“

Diese Definition enthält vier recht spezifische Parameter (Geschlecht, Alter, Einkommen, Sehschwäche). Wir könnten diese Zielgruppe also problemlos von anderen unterscheiden. Wir könnten außerdem bei konkreten Personen relativ einfach feststellen, ob sie zur Zielgruppe gehören (vorausgesetzt der betreffende Mann wäre bereit, uns sein Alter und sein Haushaltsnetto zu verraten). Wir wissen aber noch immer nicht, ob dieser Mann sich überhaupt für unser Produkt interessiert. Wir benötigen also mindestens noch einen konkret erfassbaren Parameter:

„Männer, die älter als 30 Jahre sind, über ein monatliches Haushaltsnetto von mindestens 3.000 Euro verfügen, eine Brille tragen und gerne Sport machen.“

Wir haben unsere Definition also um ein tatsächliches Verhalten erweitert, weil unsere Brillen explizit für den Einsatz beim Sport entwickelt wurden. Diese Information kann uns z.B. dabei helfen, geeignete Kanäle für die strategische Kommunikation zu finden, etwa Zeitschriften oder Webportale im Sportbereich, in denen wir Veröffentlichungen wie Produkttests etc. anstreben.

Doch auch diese Definition weist noch mehrere Mängel auf. So wissen wir beispielsweise noch nicht, welchen Sport der Mann macht und ob er dabei eine Brille trägt bzw. aufgrund seiner Sehschwäche tragen muss.

Wenn unsere Sportbrillen sich für alle möglichen Sportarten eignen, könnten wir hier verschiedene Zielgruppen definieren – wobei ein Mann, der etwa Handball spielt und Ski fährt, durchaus in zwei Zielgruppen landen könnte.

Ob das Brilletragen(müssen) beim Sport überhaupt etwas ist, was den Mann bewegt, wissen wir so aber immer noch nicht. Deswegen können wir auch noch nicht sagen, ob er nach einer Lösung für dieses Problem sucht und in der Folge für unser Produkt interessieren könnte. Und genau hier kommt die Persona ins Spiel.

In der Buyer Persona definieren wir drei wesentliche Aspekte: Aufgaben, Hindernisse und Ziele:

Aufgaben:

  • ich will Ski fahren
  • ich will Handball spielen

Hindernisse:

  • ohne Brille sehe ich zu schlecht, um meine Sportarten durchzuführen,
  • wenn ich die Brille trage, sorge ich mich vor Verletzungen
  • ich will nicht, dass meine Brille kaputt geht (denn ich brauche sie auch im Berufsleben)

Ziele:

  • ich will meine Hobbys frei ausleben
  • ich will vor meinen Freunden gut dastehen und aussehen

Wenn diese drei Aspekte bei der Persona zusammenkommen, können wir annehmen, dass unser Produkt eine geeignete Lösung für das Problem der Persona darstellt. Denn unsere Brillen gehen bei Skistürzen weder verloren noch kaputt und halten auch einen Zusammenprall beim Handball problemlos aus, ohne zu zerbrechen oder jemanden zu verletzen. Sie sehen darüber ebenso modisch aus, wie eine ganz normale Brille.

Für die Produktentwicklung wäre das demzufolge eine ausreichende Zielgruppendefinition und wir müssten nur noch prüfen, ob es diese Männer tatsächlich gibt. Auch Marketing bzw. Werbung dürften mit einer solchen Persona recht zufrieden sein, weil wir durchaus annehmen können, dass die entsprechenden Männer nach einer Lösung für ihr Problem suchen oder zumindest offen für entsprechende Angebote sind. Demzufolge könnten wir sie an passenden Stellen mit Werbeanzeigen bombardieren.

Für die strategische Kommunikation fehlen uns aber immer noch entscheidende Puzzleteilchen.

  1. Bei der Persona selbst sind dies die Werte, nach denen sie lebt.
  2. Darüber gilt es noch herauszuarbeiten, in welcher Beziehung wir als Absender zur Zielgruppe stehen und wie gut wir sie erreichen können.

Eine Übereinstimmung der Werte von Persona und Absender ist für die strategische Kommunikation deshalb von immer größerer Bedeutung, weil wir heutzutage (nahezu) sicher sein können, dass Mitbewerber mit ihren vergleichbaren Angeboten nur einen Klick entfernt sind. Wenn technologisch ebenbürtige (und im Zweifelsfall finanziell günstigere) Alternativen bestehen, müssen wir uns auf anderem Wege unterscheiden bzw. erkennbar machen. Hier kommen der Werte der Persona ins Spiel, die ihr Verhalten grundlegend bestimmen. Unserem Beispiel fügen wir also Folgendes hinzu:

Werte:

  • Qualität: ich bevorzuge hochwertige und langlebige Produkte
  • Nachhaltigkeit: ich bevorzuge möglichst umweltschonend hergestellte Produkte
  • Fairness: ich bevorzuge Produkte, die unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt wurden

Wir nehmen also an, dass es brillentragende sportliche Männer gibt, die diese Werte zu leben versuchen und ihr Einkaufsverhalten deswegen danach ausrichten. Demzufolge dürften Sie an unserem Produkt mehr Interesse haben als an einem günstigeren, aber unter anderem Bedingungen produzierten Alternativprodukt.

Durch diese Erweiterung der Persona um Werte eröffnet sich plötzlich ein ganzes Themenspektrum, über das wir mit unserer Zielgruppe ins Gespräch kommen können. Es gilt also in der strategischen Kommunikation diese Alleinstellungsmerkmale herauszustreichen und die Gemeinsamkeiten mit der Zielgruppe eben dieser zu verdeutlichen.

Weil strategische Unternehmenskommunikation aber keine Werbung ist, müssen wir uns bei der Zielgruppendefinition noch verdeutlichen, warum wir sie überhaupt erreichen können – und wenn ja, wie gut.

Zur Beantwortung der ersten Frage gilt es also zu ermitteln, ob sich die Zielgruppe tatsächlich um eine Lösung ihres Problems bemüht oder ob sie zumindest offen für eine Lösung wäre, wenn sie ihr im Kontext anderer Tätigkeiten (z.B.: Lektüre eines Sportmagazins) angeboten würde. Wenn wir diese Antworten datengestützt geben können (etwa durch Online-Suchvolumen), erhöht das die Präzision unserer Zielgruppendefinition ungemein. Zudem spielt für die Erreichbarkeit die Nähe zur Zielgruppe eine entscheidende Rolle. Einen Mitarbeiter können wir mit großer Sicherheit erreichen. Bei Menschen, die noch nie etwas von uns als Absender gehört haben und die zum Beispiel in einem anderen Land leben bzw. eine andere Sprache sprechen, wird dies ungleich schwerer (in diesem Fall müssen wir über geeignete Vermittler-Zielgruppen bzw. Multiplikatoren wie Journalisten oder Influencer nachdenken).

Darüber hinaus sollten wir uns ehrlich beantworten, wie offen die Zielgruppe gegenüber unseren Kommunikationsmaßnahmen überhaupt ist. Denn dass die Zielgruppe nach einer Lösung für ihr Problem sucht, bedeutet noch nicht zwangsläufig, dass sie auch einen Artikel über die Gefahr von Augenverletzungen beim Skifahren (mit Brille) lesen würde.

Zu guter Letzt gilt es zu hinterfragen, inwiefern das Rezipieren unserer Kommunikationsmaßnahmen einen Einfluss auf das Verhalten der Zielgruppe haben könnte. Denn strategische Kommunikation verfolgt ja immer bestimmte Zwecke, die wiederum unmittelbar der Verwirklichung der Vision eines Unternehmens dienen. Wenn wir also in umfangreiche Kommunikationsmaßnahmen investieren wollen, müssen wir die (angenommenen) Effekte auf die Zielgruppe gut begründen können (siehe dazu auch der Ratgeber zu den fünf wichtigsten Themen einer Kommunikationsstrategie).

Tool-Empfehlung: die Communication Persona

Die in diesem Artikel entwickelte Definition einer Zielgruppe für die strategische Kommunikation ist eine deutliche Evolution von Marktsegmenten und umfangreiche Erweiterung des Buyer-Persona-Konzeptes.

An insgesamt acht Faktoren können wir im Idealfall bestimmen, wen wir erreichen wollen (und auch können):

  • Harte Fakten (sozioökonomische Merkmale)
  • Werte
  • Hindernisse
  • Ziele
  • Aufgaben
  • Erreichbarkeit
  • Offenheit
  • Einfluss

Um mit den hier vorgeschlagenen Aspekten einer Zielgruppe bestmöglich arbeiten zu können, habe ich die Communication Persona in Form eines Canvas entwickelt. Die acht für die Unternehmenskommunikation relevanten Aspekte stehen dort strukturiert nebeneinander. So können wir jederzeit Bezüge prüfen und Unstimmigkeiten beseitigen. Zu jedem Aspekt gibt es eine oder mehrere Triggerfragen, die uns dabei helfen, unserer Zielgruppe näher zu kommen.

Zielgruppen im Communication Canvas

Zielgruppen zu definieren, macht natürlich nur dann wirklich Sinn, wenn wir eine Kommunikationsstrategie bzw. ein vollständiges Kommunikationskonzept entwickeln. Dafür eignet sich besonders gut das Communication Canvas, denn hier können wir die definierten Zielgruppen in Bezug setzen zu Absender, Storytelling, Zwecken und Relevanz der Kommunikation.